Eine unglaublich schöne Holztür mit einer weniger schönen Geschichte dahinter! „Kriegsnagelungen“ ist dafür die sperrige, wenn auch historisch korrekte Bezeichnung. Zu sehen ist dieses schöne Stück im Rahmen einer Stadtführung in Melk mitten im Zentrum, am Rathausplatz.
Im Kriegsjahr 1915 – der 1. Weltkrieg war voll im Gange – hatten es gerade die Kriegswitwen und Waisen besonders schwer und so entstand in Wien die Idee, in einer ganz ungewöhnlichen Weise Geld zu sammeln: Für eine Spende erhielt man einen Nagel und durfte diesen in ein Holzstück einschlagen!
Diese Holzstücke waren nun verschieden ausgeformt: Wehrschilde, Wappen, Ritterfiguren, Türen (wie hier in Melk) u.s.w. Die Nägel waren meist aus Messing. Je größer die Spende, umso größer der Nagel, mit dem man sich verewigen durfte. Großspender durften sogar ihre Namen in Plättchen eingravieren lassen.
Der Prototyp - der „Wehrmann im Eisen“ – wurde im März 1915 in Wien am Schwarzenbergplatz aufgestellt, in späterer Folge dann in der Nähe des Wr. Rathauses. Überall in den Orten und Städten der Donaumonarchie und Deutschlands wurde diese Art der Charity-Aktivität übernommen und es entstanden hunderte dieser Nagel-Kunstwerke.
Die Stadt Melk beteiligte sich ebenso und ließ am 22. August 1915 eine entsprechende, "leere" Holztür am Eingang des Rathauses einhängen, wo Spender sich durch einen Nageleinschlag verewigen konnten. Der Entwurf stammte vom damals schon berühmten Jugendstil-Künstler Ernst Stöhr (1860-1917) aus St. Pölten; der Melker Tischlermeister Franz Fürst (1882-1967) verwirklichte die Pläne.
Bis zum März 1919 brachte die "Benagelung" des Tores die stolze Summe von 4.077,02 Kronen herein - Geld, das dem Witwen- und Kriegswaisenverein zugutekam. Damals entsprach dieser Wert dem Preis von 3.288 Laiben Brot (zumindest nach dem amtlich festgesetzten Preis von 1,24 Kronen=124 Heller für 1kg Mischbrot; im Schleichhandel konnte der Brotpreis aber bis zu 950 Heller ausmachen). Hier die Preisliste für die verschiedenen Nagel-Typen:
Die Motivation war stark: Solidarität mit den Soldaten an der Front, Patriotismus, Stärkung des Gemeinschaftsgefühls und vielleicht auch das Gefühl, einen Beitrag in Kriegszeiten geleistet zu haben.
Quellen:
Fotocredits:
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23.3.2020: Meine liebe Kollegin Gerlinde Attam hat ein wunderbar umfassendes Fotoarchiv - und somit herzlichen Dank an Gerlinde für tolle Fotos!